Ich habe jetzt schon einige Tage in die kostenlose Skyrim-Mega-Mod Enderal investiert und wollte mal meine Eindrücke zusammenfassen.
Spielwelt:
Das Kartendesign ist fantastisch. Jedes Dungeon ist anders als das andere und bei der Außenwelt haben die Entwickler die großen Karten von Elderscrolls mit dem logisch-kompakten Kartendesign von Gothic kombiniert. Heißt, es steht eine große Spielwelt zur Verfügung, die beim Erkunden aber doppelt so groß wird, weil es in jedem Winkel etwas zu entdecken gibt. Auf der einen Seite ist ein Höhleneingang und von der anderen erreicht man ein Plateu, dass sich direkt darüber befindet usw. Dazu viele phantasievoll gestaltete Schauplätze wie alte Ruinen (so Herr der Ringe mäßig mit verwitterten Steinfiguren, die eine alte Handelsroute säumen).
Soundtrack:
Der Soundtrack ist ohne zu übertreiben der beste, den ich in den letzten Jahren gehört habe. Davon sind viele Stücke in meiner Musikbibliothek gelandet und im Spiel passen sie noch besser zur Atmosphäre. Z.B. "
Nordwinde" zu den verschneiten Bergpässen, "
Schreitet wohl" auf nächtlichen Erkundungstouren oder das ohne den Kontext eher verhaltene "
Sonnentempel" in den Tempelgärten. Ganz zu Schweigen von den beiden großartigen Titelstücken "
Bis zum Horizont" und "
Schöne neue Welt", die man auch schon in den Trailern bewundern durfte. Da hat der Hamburger Nachwuchs-Musiker
Marvin Kopp ganze Arbeit geleistet. Anhören kann man sich das Ganze auf
Soundcloud oder als vollwertiger
Direktdownload.
Vertonung:
Die stimmliche Vertonung ist solide. Es gibt lange gesprochene und tiefsinnige Dialoge. Hin und wieder trifft man auf Stimmen, die sich nicht nach Tonstudio anhören, aber besonders Thealor Arentheal und die beiden Hauptbegleiter, zu denen man im Laufe des Spiels eine Beziehung aufbaut, haben eine durch und durch professionelle und stimmige Vertonung.
Story:
Die Story ist gut durchdacht und bietet einiges an Anspruch, der von den begleitenden Charactären aus unterschiedlichen Standpunkten reflektiert wird. Wie auch in Elder Scrolls baut die Welt auf einer ausgetüftelten Mythologie mit langer Vorgeschichte auf, die geschickt mit den aktuellen Ereignissen verwoben wird. Für den richtigen Einstieg muss man aber vielen Dialogen lauschen und am besten noch einige der zahlreichen Bücher im Spiel lesen. Entsprechend ist das Ganze etwas, das zum Nachdenken anregt und dem stellenweise etwas mehr impulsive Begeisterung gut tun würde. So wurde man im Vorgänger Nehrim von Narazul Arantheal ("Das einzig erleuchtende an Religion ist ein brennender Tempel bei Nacht") noch voll Inbrunst dazu überredet, endlich ein paar Unterdrücker zu töten und einen Bürgerkrieg zu starten, während sein Vater Thealor Arantheal in Enderal eher mit vernünftiger Erzählerstimme durch das Geschehen führt und stets auf Stabilität bedacht ist.
Kritik:
Ein Punkt den ich gerne ansprechen würde, sind die Einstiegsschwierigkeiten, die ich nach den ersten Stunden hatte. Der Vorgänger Nehrim wurde oft für das ewig lange Anfangsdungeon (noch länger als das in Oblivion) kritisiert. Das wurde hier bedeutend kürzer gehalten und man wird nach einer kurzen Einführung mit Cutscenes und Infoscreens in die offene Spielwelt entlassen. Bald darauf erhält man auch schon die erste Aufgabe, einige Leute in der Umgebung nach einem verrückt geworden Magier zu befragen. Und so setzt sich das Ganze dann fort. Bald darauf landet man im ersten Dorf und macht sich danach mit seinem Begleiter auf in die Großstadt Ark. Und da begannen meine Schwierigkeiten, wegen denen ich das Spiel einige Wochen hab ruhen lassen, bis ich die nötige Zeit und Motivation für einen tieferen Einstieg hatte.
Die Stadt ist für RPG-Verhältnisse sehr groß, hübsch und detailliert. Es dauert seine Zeit, bis man sich halbwegs in der Oberstadt orientieren kann, um dann zu entdecken, dass der Großteil der Stadt mit Pechgrube und Friedhof unterirdisch verbogen liegt. Man verbringt Stunden damit, Quests in dieser Stadt zu erledigen und gut ein Drittel meiner 40 Stunden Spielzeit hat sich in den Mauern Arks zugetragen. Das trifft nicht wirklich meinen Geschmack. Im Vorgänger Nehrim war es so, dass man von der Story von Stadt zu Stadt durch die Karte geführt wurde. Zuerst startete man vor einer kleinen Mine, wo man die Grundzüge des Spiels gelernt hat, bevor man entlassen wurde. Dann ging es weiter zu dem Kloster (hübsches Dörfchen mit See), wo man aufgewachsen ist, wurde zum Tempel der Wildmagier geschickt (schöne Tempelanlage mit eigener Architektur), von da aus bekam man Aufträge in der Hauptstadt des Herzlandes (für damalige Verhältnisse sehr detailliert mit Klettermission über die Dächer der Stadt). Dann ging es weiter in die Burg des Nordreiches (spannende Architektur, in der man sogar eine Belagerung miterlebt) und wurde dann weiter zum abgeschiedenen Bergtempel geschickt (noch ein Wow-Moment). Danach folgten Regionen wie ein verzauberter Sumpf , die Ruinen einer großen zerstörten Stadt, die orientalische Gegend im Süden und die Bergfestung der Sternengeborenen im Norden und immer hat die Story dich von Station zu Station begleitet. In Enderal ist es aber so, dass alles Wichtige in Ark passiert und man immer Ausflüge über ein oder zwei Tage ins Umland unternimt, bis das Inventar voll ist und man zurückkehrt. Dann verbringt man einen Tag in Ark zum Handeln, Craften und Abklappern der Questgeber. Die besonderen Architekturmerkmale, die in Nehrim über die einzelnen Standorte verteilt waren, wurden hier alle in die Stadt Ark "gestopft". Es gibt die detaillierte Oberstadt mit spannender Architektur, die Unterstadt mit einer noch dichteren Dungeon-Atmosphäre als die wegweisenden Metro-Spiele und der Göttertempel, der alles überragt. So ist man zu Anfang erstmal baff, gewöhnt sich aber mehr und mehr an den Anblick und die Ausflüge ins Umland liefern dann nichts Beeindruckenderes mehr. Für die Langzeitbegeisterung hat mir die Umsetzung in Nehrim besser gefallen.
Auch von dem selbstgebauten Fähigkeitenbaum kann man leicht überfordert werden. Es gibt drei Klassen mit jeweils 3 Unterklassen, die jeweils 15 unterschiedliche Fähigkeiten beinhalten, die man mit Lernpunkten freischalten kann: Krieger (Zweihandwaffen, schwere Rüstung/Schild, Zwei Waffen), Dieb(Dolche, leichte Rüstung/Alchemie, Bogen) und Magier (Elementarmagie, Beschwörung, böse Magie). Und wenn man seinen Charakter optimal bestücken will, sollte man mindestens 10 Minuten zum Einlesen in die Fähigkeiten aufwenden.
Fazit:
Wer die Zeit hat und motiviert ist, sich in ein besonderes Spiel mit tiefsinniger aber auch langatmiger Story, umfangreicher Mythologie und komplexem Charaktersystem einzuleben, der wird Enderal wie ich lieben. (Aso Leute, die sich den ganzen Text an einem Stück durchlesen konnten
)
PS:
Selbst wenn ihr keine Lust auf das Spiel habt, hört euch auf jeden Fall den
Soundtrack an